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Langdistanz mal anders.

Eine Triathlon-Weltreise mit Clemens Coenen.

Las Vegas? Großes Saisonfinale am Kap der Guten Hoffung, das war der Plan. Und gute Hoffnung hatte ich – und zwar auf ein sehr gutes Rennen mit maximalem Erfolg.
Mit Hoffnung alleine kommt man in Sport aber nicht weit und so flog ich schon drei Wochen vor dem Renntermin nach Südafrika um mich optimal vorzubereiten. Ohne Familie, Arbeit und die sonst üblichen Alltagstücken - nur Trainieren, Essen, Schlafen…Ich war gerade vier Tage vor Ort, hatte gerade ein sehr gutes Training beendet und erhielt einen Anruf vom Veranstalter der „Challenge Capetown“: das Rennen Anfang November muss abgesagt werden!!! Probleme mit den Behörden vor Ort.
Die meisten Starter konnten ihre Reise/Flüge noch stornieren aber ich war ja nun schon dort, wollte mal alles perfekt machen, mich bestens vorbereiten und jetzt gab es kein Rennen mehr! Viel Aufwand für nichts. (außer super Training und tolle Gastfamilie!)

Jammern und nichts tun ist aber nicht meine Sache und ich suchte zusammen mit meinem Trainer nach einer Alternative. Es gab ja noch die ITU Weltmeisterschaft in Las Vegas. Gleicher Termin wie die Challenge Capetown, etwas andere Distanzen und total anderer Kontinent/Erdhalbkugel. Der Verband brachte mich noch kurzfristig auf die Startliste, Flüge wurden umgebucht und nach einem kleinen Vorbereitungsrennen in der Nähe von Kapstadt (die Western Cape Meisterschaften auf der Kurzdistanz konnte ich gewinnen) ging der Trip los: Montagabend in Kapstadt Abflug, Dienstagabend Ortszeit war ich in Las Vegas. Dazwischen lagen zwei 11 Stunden lange Flüge und eine sechs Stunden lange Autofahrt. Langdistanz mal anders…

Das WM Rennen war Samstag, also blieben noch drei Tage zur Vorbereitung und Eingewöhnung an die trockene Luft in Nevada. „Ihr Einsatz bitte“ - In Vegas wird hoch gepokert!
Leider schlug dann am Nachmittag vor dem Rennen das Wetter um – der Winter kam einen Monat früher als üblich. Als ich morgens am Startbereich ankam lagen die Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt. Der Schwimmpart wurde also internationalen Regeln folgend aus Sicherheitsgründen abgesagt...
Also auch hier kein reguläres Triathlonrennen für mich!
Irgendwann hatte sich der Veranstalter für einen Rennmodus entschieden: Einzelzeitfahren über 120 km in Reihenfolge der Startnummern mit nur 5 Sekunden Abständen, anschließend 30 km laufen. Ein Mini-Duathlon.
Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen – hatte ich doch in Südafrika nochmals ordentlich am Schwimmen gearbeitet. Außerdem startete ich als letzter gemeldeter Profi auch als Letzter.
So musste ich also extrem hart losfahren um einerseits den virtuellen Abstand zu den Führenden unter Kontrolle zu halten (es war wie beim zocken: „All in!“) und andererseits überholten Sportlern keine Chance zu geben, im Windschatten mitzufahren.
Als ich nach 20km Fahrer überholte, die über 3 Minuten vor mir gestartet waren und dann auf einen welligen Streckenabschnitt mit Gegenwind kam, merkte ich, dass ich es wohl etwas übertrieben hatte. Die ungewohnt kalte Luft hatte mir schon viel Energie aus dem Körper gezogen und irgendwie ging auch nichts an Powergels und Energiegetränk in mich rein. Mein Stoffwechsel hatte auf Winterbetrieb umgestellt. „Nichts geht mehr“ am Roulettetisch.
Wenn man bei einem Rennen Top5 Ambitionen hat und plötzlich mit der Frage zu kämpfen hat „Wie soll ich es überhaupt ins Ziel schaffen?“, ist etwas schief gelaufen. Noch nie hatte ich so große Probleme, nur die Raddistanz zu bewältigen. Mein pfeilschnelles STEVENS Crono Bike verwandelte sich gefühlt in einen Bierlaster: Mir war kalt, ich war müde, der Rennanzug scheuerte, der Helmriemen zwickte, mein Powerbar Energieriegel war wegen der Kälte so hart, dass ich ihn nicht vernünftig kauen konnte. Die Radflasche mit eiskaltem Wasser hatte ich nach der letzten Verpflegungsstation an einer Bodenwelle verloren…
Also alles nur Ausreden und Erklärungsversuche. Mit der Einstellung ist man natürlich aus dem Rennen. Ich hoffte zwar auf eine zweite Luft beim laufen aber es blieb bei Notstrom-Modus. Einziger Vorteil: das Tempo war von Anfang an so niedrig, dass ich nicht langsamer werden konnte! Ich wollte nur noch irgendwie ins Ziel. Nach knapp 5,5 Stunden hatte das Drama dann auf Platz 17 ein Ende.
Preisgeld gab es bis Platz 15.„Put your money where your mouth is. That´s what you get for waking up in Vegas…”


Zum Glück war meine Frau Yvonne mit in die USA geflogen. Als Unterstützung vor, während und besonders nach dem Rennen. Gerade nach solchen Tiefpunkten hilft es gewaltig, jemanden an der Seite zu haben, der einen wieder aufbaut und die Dinge wieder in eine andere Perspektive rückt: Es geht „nur“ um Sport. Danke dafür!
Das Zockerparadies Las Vegas verließen wir noch einen Tag nach dem Rennen und besuchten Freunde in Utah. Fünf Tage abschalten am Grand Canyon (im Schnee!) und Bryce Canyon. Speedboot fahren auf dem Lake Powell. Meine alte Gastfamilie aus Saint George tat wirklich alles, um uns nach dem enttäuschenden Rennen noch eine gute Zeit in den USA zu bereiten.
Nach etwas über vier Wochen war ich dann Mitte November wieder zurück in Lemgo um mit der Vorweihnachtszeit auch die Saisonpause einzuläuten.


Im Wasser – besser gesagt im Planschbecken – bin ich derzeit nur in Begleitung meines zweijährigen Sohnes, das Crossrad bringt mich manchmal zur Arbeit und Laufen?
Ich lese gerade ein Buch darüber…

 

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